Schon vor rund 4500 Jahren importierten die Pharaonen des alten Ägypten aus Indien und Arabien das Behenöl, das aus dem Samen des Moringabaumes gewonnen wird, der in Deutschland auch als Meerrettichbaum bekannt ist. Sie verwendeten es zum Kochen, als Zusatz in Parfüm, für Balsamierungen und vor allem zu Heilzwecken. Das Behenöl wurde in Europa, wo der Meerrettichbaum aufgrund des Klimas nicht wächst, lange Zeit in der Uhrenindustrie eingesetzt, denn das harzfreie und sehr haltbare Öl eignete sich wunderbar zum Schmieren der mechanischen Uhrwerke des 18. und 19. Jahrhunderts.
Moringa zählt zu den „Superfoods“ der vergangenen Jahre, wobei sich das inzwischen relativiert hat, denn für die Fans des Moringabaumes besteht ein Problem. Aus den Anbauländern werden nur zu Pulver zerriebene Bestandteile oder eben das Öl der Frucht exportiert. Diese beiden Erzeugnisse besitzen jedoch längst nicht die Bandbreite an heilsamen Inhalten wie die frisch geernteten Teile des Baumes. Trotzdem zeigt auch das Moringa-Pulver eine durchaus beachtliche Anzahl hochwertiger Bestandteile, nur eben besitzen diese Vitamine und Mineralien in weit höheren Mengen auch in Deutschland angebaute Gemüse, Salate oder etwa Milch. Wer sich in Europa vernünftig ernährt, benötigt kein über tausende Kilometer importiertes Nahrungsergänzungsmittel namens Moringa. Das Behenöl wiederum findet heute vor allem in der Hautpflege seine Anwendung und steht dabei mit anderen Produkten in der Konkurrenz.
Es ist tatsächlich ein Wunderbaum, aber eben nur dort, wo er auch wächst. Vom Moringa kann alles verwertet werden. Aus den Blättern lassen sich Salate machen, die Früchte der Samen ergeben nicht nur Öl, sie können wie Bohnen zubereitet werden und sind sehr nahrhaft. Ebenso die Wurzeln, die durch die darin enthaltenen Senföle so scharf wie Meerrettich sind und ähnlich schmecken. Der Stamm dient als Bauholz. Die Inhaltsstoffe der frischen Blätter, der Früchte und der Wurzeln decken locker den Tagesbedarf an allen wichtigen Nährstoffen, Vitaminen, Mineralien und sogar Proteinen, die der Mensch braucht. In unterentwickelten Ländern mit unzureichender Lebensmittelversorgung ein wichtiger Aspekt, weshalb der Anbau von Moringa in den entsprechenden Staaten weltweit gefördert wird.
Aber nicht nur das, Moringablätter eignen sich in gemahlenem Zustand sehr gut zur Klärung von verunreinigtem Wasser. Wiederum eine Problematik in Drittweltländern. Dabei sind der Anbau und die Aufzucht eines Moringabaumes ein Kinderspiel. Es genügt schon, einen Zweig eines Moringas abzubrechen und diesen Zweig in den Boden zu stecken. Nach etwa zwei Wochen treibt der Zweig Wurzeln und Blätter aus. Der Baum ist recht Anspruchslos bezüglich der Erde, in der er wächst und er schießt mit einem erstaunlichen Tempo in die Höhe. Pro Jahr können das locker acht Meter und mehr sein.
Die Genügsamkeit des Moringabaumes bezüglich Bodenbeschaffenheit sorgte dafür, dass sich sogar in den trockenen Wüsten Ägyptens Moringa-Plantagen finden, die über die sogenannte Tröpfchen-Bewässerung mit Feuchtigkeit versorgt werden.
Es ist nur ein Beispiel, wie mit dem Moringabaum effektive Entwicklungshilfe geleistet werden kann, indem das Know-how der Industrieländer dabei hilft, der Bevölkerung die Verwertung ihrer Pflanzen beizubringen, denn das die Menschen dies von selbst könnten, ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Sicher wurden die meisten der Plantagen zu dem Zweck eingerichtet, aus den Blättern des Baumes Nahrungsergänzungsmittel für die zahlungskräftigen Kunden in den Industrieländern herzustellen, aber letztlich bleibt das Wissen darum im Lande und wandert nicht wieder ab, etwa dann, wenn der Boom um das Superfood Moringa abgeklungen ist.
Vielleicht mag der Vergleich etwas hoch gegriffen sein, aber der Moringabaum könnte für die Nahrungssituation in vielen heißen Drittweltländern das sein, was die Kartoffel für die Bevölkerung im recht kalten Mitteleuropa einmal war und immer noch ist, als sie ihren Weg von Amerika fand. Nicht wenige Forscher sehen zwischen dem Bevölkerungszuwachs sowie der Industrialisierung Europas einen direkten Zusammenhang mit der Kartoffel, die den Menschen ausreichend Nährstoffe zum richtigen Zeitpunkt lieferte. In den subtropischen und tropischen Ländern der Erde wächst die Kartoffel nur in höheren Regionen und ist deshalb teuer, der Moringabaum hingegen wächst fast überall.
Dezember 2018
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