Sie ist wortwörtlich ein süßes Gift, die Tollkirsche. Doch die Schattenseite der Pflanze, das in ihr enthaltene Gift Atropin, ist zugleich ein wirksames Medikament und Gegengift.
Belladonna, italienisch für „schöne Frau“, ist einer der Beinamen der schwarzen Tollkirsche. Wie giftig die Tollkirsche ist, erfuhren die Menschen schon sehr früh in der Geschichte, denn Belladonna wächst in Skandinavien und Mitteleuropa genauso wie in Nordafrika oder dem Nahen Osten. Es gibt keine Statistik darüber, wie viele Menschen ihrem Gift zum Opfer fielen, aber es gibt Überlieferungen, dass schon die Damen am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig XIV sich den Saft der Tollkirsche in die Augen tropften. Danach konnten sie zwar nur noch verschwommen sehen, dafür waren ihre Augen groß und die Pupillen stark geweitet. Eine sehr grenzwertige Auslegung des Spruchs: „wer schön sein will, muss leiden“. Tatsächlich reichen einem Kind schon etwa 4 reife Beeren der Tollkirsche, um tödlich vergiftet zu werden. Das Atropin führt nach der Einnahme letztlich zu Atemlähmung, nachdem eine ganze Reihe weiterer Symptome durchlaufen wurden.
Heute findet Atropin immer noch seine medizinische Verwendung und immer noch sind die Augen das Ziel, zum größten Teil zumindest. Der Augenarzt verwendet es, um die Pupillen für Untersuchungen zu erweitern. Auch in homöopathischen Mitteln findet es Verwendung, jedoch in solch geringen Mengen, das eigentlich überhaupt keine Wirkung, positiv oder negativ, erzielt werden kann.
So gefährlich die Tollkirsche auch ist, sie hilft auf der Gegenseite bei einem anderen sehr gefährlichen Gift, dem berühmt-berüchtigten E-605, ein auch als Schwiegermuttergift bekannt gewordenes Insektizid, mit dem tatsächlich viele Morde wie auch Selbstmorde durchgeführt wurden. E-605 kann aber auch durch unsachgemäßen Umgang zu Vergiftungen führen und hier kommt das Atropin der Tollkirsche als wirksames Gegengift ins Spiel. Da auch heute noch E-605-Vergiftungen auftreten, müssen alle Apotheken in Deutschland Atropin als injizierbares Gegengift bereithalten.
Die Tollkirsche beziehungsweise das Atropin wirkt aber noch in weiteren Bereichen. So etwa gegen Koliken, weiteren Vergiftungserscheinungen, bei Operationen zur Hemmung des Speichelflusses und gegen Parkinson, wobei das dazugehörige Medikament in Europa nicht zugelassen ist.
Abhängig von der eingenommenen Menge kann Atropin Halluzinationen hervorrufen. Es ist jedoch sehr schwierig, nur mit Pflanzenteilen oder den Beeren der Tollkirsche eine Dosierung vorzunehmen, die nicht zufällig zum Tode führt, weshalb von Selbstversuchen dringend abzuraten ist. Das Gift ist in der Pflanze je nach Jahreszeit und Standort unterschiedlich stark vorhanden. Im Mittelalter wurden „Hexen“ mit dem Saft der Tollkirsche eingerieben. Das Gift drang durch die Haut und erzeugte Wahnvorstellungen, in denen die Frauen praktisch alles gestanden, was den „christlichen“ Folterern so an Beschuldigungen einfiel. Auf der anderen Seite gibt es auch Schriften über Hexensalben mit der Zutat Tollkirsche, mit der sich Menschen in eine halluzinogenen Traum, oder besser Albtraum versetzten.
In Europa ist die Tollkirsche nur noch selten in freier Wildbahn zu finden. Haushalten mit Kindern wird abgeraten, die Pflanze im Garten zu halten. Andere Gartenbesitzer nutzen sie zum Anlocken von Vögeln, denn diese fressen die Beeren sehr gerne, ohne Schaden zu nehmen. Landwirtschaftlich wird die Tollkirsche in Osteuropa, Russland und China angebaut, um daraus die Alkaloide Hyoscyamin, Belladonnin, Rest Atropin, Scopolamin und Cuskhygrin zu gewinnen. Heute überwiegt der medizinische Nutzen der Tollkirsche den möglichen Schaden, den die Giftpflanze des Jahres 2020 anrichten kann.
Januar 2021
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